Der Abgrund

Zu Beginn des 22. Jahrhunderts gab es eine klare Prognose: 40% aller komplexen Lebensformen auf der Erde würden das kommende Jahrhundert nicht erleben. Die Menschheit hatte ihre eigene Biosphäre zu einem Grad beschädigt, der auf natürlichem Wege zur vollständigen Unbewohnbarkeit der Erde führen würde. Erst nach weltweiten Aufständen wurden Mittel freigegeben, um die von der Wirtschaft längst schon auf den Kolonien des Mars und der Venus eingesetzten Terraforming-Technologien auch auf der Erde anzuwenden. Die Menschen zwangen der Erde eine neue Harmonie auf. Das änderte rein gar nichts an den Problemen. Im Gegenteil: Nachdem der CO2-Wert in der Atmosphäre wieder unter Kontrolle gebracht wurde, erfuhr die Wirtschaft einen gewaltigen Aufschwung und erhöhte damit die Belastung der Terraforming-Anlagen, die so schon an ihren Grenzen arbeiteten. Jedoch wurde die Erde langsam wieder gesund. Mit einer angewendeten Apokalypse, weiter fortschreitender Technologie und einer steigenden Bevölkerung nahm auch die Zahl der Menschen in Armut zum ersten Mal seit 200 Jahren wieder zu. Es musste nachhaltig und medienwirksam etwas gegen diese perspektivlosen Menschen unternommen werden. Im Geiste einer anbrechenden Kolonialzeit wurden Millionen zu einem ungewissen Leben als Kolonist ermutigt. Zuerst zögerlich, später in Scharen strömten die Menschen auf billigen und meist gefährlichen Kolonieschiffen zu den inneren und äußeren Planeten.

Der Aufstieg

Mit der Fähigkeit, Wurmlöcher zu bauen und zu kontrollieren, war der Menschheit ab Mitte des 24. Jahrhunderts Tür und Tor zu den Sternen geöffnet. Dem Ruf ins Unbekannte folgten Millionen und Abermillionen von Glücksrittern. Überall dort, wo die Menschen ankamen, nutzten sie ihre Terraforming-Technologien, um sich immer neue Erden zu schaffen. Sie errichteten Raumbrücken, die ein Wurmlochnetzwerk zu all ihren neuen Kolonien spannten. Um eine solche Bevölkerungszahl zu kontrollieren und zu verwalten, wurde die Zentrale Kolonialverwaltung, umgangssprachlich die Zentralregierung, gegründet. Ursprünglich ein Teilorgan der UN, wuchs der Einfluss durch die Lobbyarbeit der Kolonialkonzerne immer weiter. Wer Kolonien errichten wollte, musste an der Kolonialverwaltung vorbei oder eine militärische Intervention riskieren.

Der Niedergang

Zum Zeitpunkt ihres vermeintlich goldenen Zeitalters begann der Niedergang der Zentralregierung. Unterdrückung und Korruption hatten das Fundament dieses gigantischen bürokratischen Apparates so massiv untergraben, dass es jede kleine Unruhe zu einem Flächenbrand werden konnte. Als das Territorium der Menschen immer größer wurde und es für die Zentralregierung immer schwerer wurde, auch den letzten Winkel zu kontrollieren, begannen einzelne Kolonien, sich über die Gesetze der Zentralregierung hinwegzusetzen. Planetare Parlamente erklärten ihre Unabhängigkeit, desertierte Generäle und Oligarchen riefen Monarchien und Imperien aus. Als Antwort auf diesen Vertrauensbruch schickte die Zentralregierung Raumflotten zu den abtrünnigen Kolonien, die sich nicht länger von der Erde kontrollieren lassen wollten. Der folgende Bürgerkrieg dauerte fast 50 Jahre und forderte Milliarden Menschenleben. Schließlich sah sich die Zentralregierung an mehreren Fronten von unabhängigen Gegnern eingekesselt. Auf der Erde selbst mehrten sich Terroranschläge gegen die Kolonialverwaltung und Regierungen, Friedenskundgebungen und Anti-Kolonial-Bewegungen. Schließlich mussten sich die verbleibenden 30 loyalen Welten der Zentralregierung geschlagen geben.